Psychosomatik

Die Definition des Begriffes “Psychosomatik” kommt von Mitscherlich:” Psychosomatik ist die Lehre, wie die Seele den Körper krankmachend beeinflusst.” Psychosomatische Erkrankungen sind demgemäß solche, bei deren Entstehung nachgewiesenermaßen seelische Faktoren eine beträchtliche oder entscheidende Rolle spielen. Schon aus der Definition geht hervor, dass der psychogenetische Faktor beim Zustandekommen einer solchen Erkrankung nicht isoliert, sondern nur im Zusammenspiel mit anderen, hinzukommenden Faktoren Berücksichtigung finden darf: Sein Stellenwert wird im einem Fall höher, im anderen geringer sein – Krankheiten aber , die nur auf seelische Einflüsse zurückgehen, wird es selten geben.

In der Therapie steht die Empathie, d.h. das einfühlsame Mitschwingen und Eingehen auf die Persönlichkeit des Patienten und seiner Probleme im Mittelpunkt. Diese Fähigkeit kann nur durch Selbsterfahrung gewonnen werden, über die Reflexion und das Erleben der eigenen Person. Kenne ich mich, meine Möglichkeiten und meine Grenzen, dann kann ich auf den anderen, den Patienten, in adäquater Weise eingehen und – vielleicht – auch einen kleinen Teil seiner inneren Problematik verstehen.

Um das Vorliegen einer psychosomatischen Erkrankung zu diagnostizieren, wird man zwei Voraussetzungen erfüllt finden müssen:

1. Es muss eine nachweisbare körperliche Veränderung vorliegen.

2. Es muss eine seelische Konfliktsituation bestehen, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der somatischen Störung gebracht werden kann.

In der Pathogenese der psychosomatischen Erkrankung hat man vor allem nach chronischen und unbewussten Emotionen zu forschen, wobei der besondere Zusammenhang zwischen diesen beiden Qualitäten gleich klar wird. Während der Mensch die Möglichkeit hat, bewusste Emotionen in irgendeiner Form abzureagieren und damit ihre Chronifizierung zu verhindern, muss das unbewusste Gefühl, dessen Existenz ja dem Betreffenden gar nicht bekannt ist, notgedrungener weise chronifiziert werden und bleiben. Dass auch bewusste langdauernde Gefühle einen körperlich krankmachenden Einfluss ausüben können, sei nicht bestritten, ist klar, ihre Wirkung wird aber mit der von unbewussten Emotionen nicht zu vergleichen sein, weil die Chronifizierung bewusster Gefühle viel leichter verhinderbar ist, denn für ihre Abreaktion gibt es verschiedene Möglichkeiten, die eine Entlastung des Vegetativums mit sich bringen. Bewusstgewordene Emotionen können nach den neurophysiologischen Gewohnheiten unseres Gehirns mehrfach entladen werden: in Worten, in der Motorik (Bewegung) und in vegetativen Reaktionen (z.B. kann Zorn in heftigem Schimpfen, lebhaften Gestikulieren und Auftreten von Zornesröte Ausdruck finden); Sprache und Bewegung werden also in all diesen Fällen das Vegetativum entlasten.

Wenn es sich um neurotische Konflikte handelt, liegen unbewusste Emotionen vor, die bewusst nicht beeinflusst werden können und daher chronisch anhalten; außerdem ist aber hier auch die Abreaktion durch Sprache und Motorik verunmöglicht. Eine einzige Kanalisation bleibt offen, die Abfuhr über das vegetative Nervensystem -diese Überforderung wird konsequenterweise zu einseitiger Ausrichtung und damit, infolge des Verlustes der Balance, zu psychosomatischen Störungen führen. Wenn also vom neurophysiologischen und psychologischen Standpunkt bewiesen und geklärt ist, dass und warum gerade chronische, unbewusste Gefühle so intensiv in Richtung psychosomatischer Störungen krankmachend wirksam sein können, ist damit die zentrale Bedeutung der Neurosenlehre für die Psychosomatik aufgezeigt, denn chronische, unbewusste Emotionen seit der Kindheit sind nun einmal das charakteristische Kennzeichen einer Neurose. Hier gewinnt das Weizsäcker`sche Wort entscheidende Bedeutung, wonach die psychosomatische Medizin, um Bestand haben zu können, unbedingt tiefenpsychologisch orientiert sein muss.

Der Körper als Behälter und Bedeutungsträger: Es besteht die Auffassung, dass der psychosomatische Patient seinen eigenen Körper oder Körperorgane als Behälter und Bedeutungsträger benutzt. Der Körper wird der Behälter des Schmerzes, undifferenziert, aber konkret sichtbar. Es gibt keine Platz für unsichtbaren, unberührbaren seelischen Schmerz. Das Symptom wird zum Ausdruck, zur Dramatisierung von seelischen Schmerz und gleicht mehr einer “Pantomime” als einem “Schauspiel”. Ein Drama ohne Worte, das dem Körper des Leidenden die primäre Sorge verschafft und stellvertretend der Seele Trost und Linderung gewährt. Ich konnte beobachten, dass somatisierende Patienten oft aus Familien kommen, in denen seelischer Schmerz konkret als körperliche Krankheit erfahren wird. Beim psychosomatischen Patienten “ergreift” das Körperorgan die Initiative, und der Patient ist sich überhaupt nicht dessen bewusst, was vorgeht. In der Pathogenese der psychosomatischen Erkrankungen hat man also vor allem nach chronischen und unbewussten Emotionen zu forschen.